„Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände und begann auf sie einzuschreien. Ich weiß nicht einmal mehr was ich geschrien habe.“ Die Augen des Fremden lagen auf ihm. Der Fremde beobachtete ihn genau: die Lippen, die Tränen, die aus seinen Augen flossen und jede noch so kleine Bewegung. Der Fremde sah alles und er war sich dessen schon lange im Klaren. Zuerst machte ihm dies Angst, doch mittlerweile tat die Aufmerksamkeit des Fremden gut.

Und dann war da schon wieder diese glockenhelle Stimme, die zu seinem süßen, kleinen Engel gehörte: „Ich weiß es noch!“ „Nein!“ rief er, doch sie redete weiter: „Jedes Wort!“

„Halt deinen Mund!“ Sie zuckte zusammen, redete aber weiter: „Ich werde sie nie vergessen.“

„Ich sagte: Sei Still!“ rief er verzweifelt.

„Ich werde dich nie vergessen!“ Er drückte sich die Hände über seine Augen, fiel von der Bank auf seine Knie und schüttelte verzweifelt den Kopf.

„Du musst mich ansehen!“ verlangte sie „Sieh mich an! Ich will, dass du mich siehst! Ich will, dass du mir in die Augen siehst! Ich will, dass du dir ansiehst was du mir angetan hast! Schau mich an!“ Sie atmete tief durch und fuhr ruhiger fort: „Du musst mich ansehen. Du musst mich noch einmal festhalten. Du musst mir noch einmal meine Tränen wegwischen. Du hast es versprochen. Du wolltest das immer tun, erinnerst du dich? Du hast gesagt, du wirst es immer tun. Warum hast du aufgehört? Warum ignorierst du mich, schreist mich an und tust so, als wäre ich nicht da?“ Sie wurde wieder lauter „Ich stehe neben dir! Nimm die Hände von deinen Augen! Sieh mich an! Drück mich an dich!“ wieder atmete sie tief durch und jetzt war auch sie verzweifelt. „Wisch mir die Tränen weg.“ Sie schluchzte, es wurde immer heftiger und ihr Weinen herzzerreißender.

Er ertrug es nicht mehr. Er nahm seine Hände von den Augen und sah auf zu ihr. Nein, nicht zu ihr! Sie war weg. Ganz plötzlich verschwunden. Hinter sich auf der Bank fand er jedoch noch den Fremden vor. Der Fremde schüttelte seinen Kopf.

„Du siehst sie.“ stellte er ohne Emotionen fest. Keine Reaktion von ihm. „Du gibst dir die Schuld. Gibt sie dir auch die Schuld?“ Keine Antwort, doch der Fremde schien auch keine zu erwarten.

„Es war auch deine Schuld. Man hat dich bestraft. Du bist am Leben, während sie deinetwegen starb. Mit dieser Schuld wirst du für immer leben müssen.“ Der Fremde stand auf und ging auf ihn zu. Der Fremde griff sich seine Oberarme und zog ihn hoch.

„Ich kann dir nur das Folgende sagen: Sie ist tot. Sie kann absolut gar nichts mehr empfinden. Keine Liebe, keinen Hass und sie wird dir auch keine Schuld an dem Geschehenen geben. Du wirst sie nie wiedersehen, egal was du tust. Mach‘s gut und pass auf dich auf.“ Der Fremde ging. Einfach so. Einfach so ließ er ihn stehen. Ungläubig starrte er dem Fremden hinterher und für einen ganz kurzen Augenblick erschien es ihm, als hätte der Fremde weiße Flügel, wie ein Engel. Erstaunt und erschöpft, unwissend was er davon halten sollte, ließ er sich zurück auf die Bank fallen und schloss seine Augen. Hinter geschlossenen Augen sah er noch ein letztes Mal das Auto, das sie so liebte. Es war kaputt und davor lag sein kleiner Engel.